Der „Emsweg“ begleitet den namensgebenden Fluss von Rheine nach Leer. Er berührt zahlreiche weitere sehenswerte Dörfer und Städte wie z. B. Lingen, Meppen, Haren, Rhede, Papenburg und Weener. Immer wieder verlässt der Weg auch die Ems und führt durchs „Hinterland“, wodurch unterschiedlichste Naturerlebnisse möglich werden. Durch einige selbst geplante Abstecher und Sightseeing verlängerte sich unsere Tourlänge von offiziell 162 km auf 212 km in 9 Tagen: Übernachtungen im Zelt, Gepäcktransport im Pilgerwagen.
Unsere Tour war eine Mischung aus Flachlandwanderungen durch überraschend abwechslungsreiche Natur und Stadtbesichtigungen. Highlight aus unserer Sicht sind aber die Menschen, die nicht nur freundlich, sondern auch kontaktfreudig sind. In unserem folgenden Bericht bieten wir einen Überblick über unsere Erlebnisse auf dem Emsweg. Er besteht aus zwei Teilen:
- Teil 1 informiert über den Weg und die dort lebenden Menschen, Übernachtungsmöglichkeiten und Eignung des Weges für Wanderanhänger. Dieser Teil endet mit einem Fazit.
- Teil 2 enthält unser „Wandertagebuch“, das wir unterwegs führten und in sozialen Netzwerken veröffentlichten.
Die Tour in Zahlen und Fakten
Tage: 9 | Personen: 2 | Distanz: 210 km | Höhenmeter: 800 m Anstieg, 840 m Abstieg * | Pilgerwagen-Gewicht: 25 – 32 kg | Übernachtungen: Zelt
* Im Internet fanden wir unterschiedlichste Angaben zu den Höhenmetern, unsere Werte weichen deutlich davon ab. Wir ermitteln diese mit einem GPS-Gerät mit barometrischem Höhenmesser. Ohne den Anspruch zu erheben, dass unsere Werte zutreffender sind, veröffentlichen wir diese, damit unsere Touren miteinander vergleichbar sind.
Der Weg
Der Emsweg genügt – insbesondere aufgrund des hohen Anteils an asphaltierten Wegen – nicht den Ansprüchen, die viele Wanderer heute an „zertifizierte Qualitätswanderwege“ stellen. Er verwöhnt auch nicht mit Fernsichten, wie sie Fernwanderwege in Mittel-/ Hochgebirgen bieten. Und dennoch erlaubt er sehr lohnenswerte Wanderungen, verwöhnt mit eigenen Highlights und ist es wert, unter die Sohlen genommen zu werden.
Wichtigstes Highlight sind sicher die besonderen Landschaften, die der Weg im schnellen Wechsel passiert und die besondere Naturerlebnisse bieten. Auch die freundlichen und aufgeschlossenen Menschen der Region haben uns in zahllosen Begegnungen täglich viele Highlights geschenkt. Dritter Trumpf des Weges sind die Städte und Orte: Oft von überschaubarer Größe, verfügen sie doch über Charme und Sehenswürdigkeiten, dabei ragen insbesondere Leer und Papenburg mit einer hohen Dichte an Sehenswürdigkeiten heraus. Ein abwechselungsreiches gastronomisches Angebot sorgt für kulinärische Genüsse entlang des gesamten Weges. Die namensgebende Ems beschert nicht nur Naturerlebnisse, sondern auch maritime Impression: Teils aktuell mit Binnenschiffen, Sportbooten und der Meyer Werft, in der riesige Schiffe gebaut werden. Teils historisch mit Museen und alten, aber toll restaurierten Schiffen.
Bei unserer Routenplanung haben wir festgestellt, dass in der Nähe des Wanderweges zahlreiche Sehenswürdigkeiten fußläufig erreichbar sind: Dörfer und Städte mit alten Stadtkernen, alte Schlösser, Kirchen, Seen, Museen und vieles mehr. Wir haben die Originalroute des Weges deshalb als Basis genommen und zahlreiche Abstecher ins unsere eigene Route aufgenommen. Oft ist die Zahl der Sehenswürdigkeiten so hoch, dass man eine Auswahl treffen muss.
Die Menschen
In unserem Reisemonat August trafen wir auf eine überschaubare Zahl an Touristen, oft Rad- oder Wohnmobilreisende mit entsprechender Mentalität. Das Gros unserer Kontakte hatten wie aber mit Einheimischen.
Der überwiegende Teil des Emsweges führt durch das Emsland, der letzte Abschnitt durch Ostfriesland. Beide Regionen haben unterschiedliche historische und konfessionelle Hintergründe, die früher zu bewaffneten Konflikten, heute zu spürbaren Mentalitätsunterschieden führen. Für beide Regionen gilt: Die Einheimischen haben wir als entspannte, freundliche, aufgeschlossene und hilfsbereite Menschen erlebt.
In Ostfriesland waren unsere Kontakte zu Einheimischen tendenziell etwas seltener und entweder länger, tiefer und persönlicher oder sehr kurz. Die sehr kurzen Kontakten bestanden oft lediglich aus einem „Moin!“, bestenfalls noch gefolgt von einem Halbsatz. Apropos „Moin“: Dieser inzwischen auch in anderen norddeutschen Regionen übliche Gruß, hat in Ostfriesland seine Wurzeln. Wir empfanden es so, dass viele Ostfriesen das Moin zu einer eigenen Sprache weiterentwickelt haben. Diese „Sprache“ transportiert durch unterschiedliche Dehnung und Modulation sowohl die Stimmung des Grüßenden als auch seine Wahrnehmung des Gegrüßten. Wenn uns dieser Eindruck nicht trügt, sind wir vielen gut gelaunten Menschen begegnet, die uns und unserer Reiseform belustigtes und/ oder respektvolles Interesse entgegen brachten.
Im Emsland hatten wir eine Kontaktdichte wie auf kaum einer Tour zuvor. Wir kamen häufig ins Gespräch, der Austausch war humorvoll und amüsant. „Der Emsländer“ wirkte auf uns ausgesprochen gesellig, am Wochenende sind zahlreiche Gruppen von Radfahrern unterwegs, die immer mal wieder einkehren oder einfach am Wegesrand picknicken oder einen Getränkestopp machen. Beeindruckend: Im Emsland gibt es Schutzhütten für Wanderer und Radfahrer, die von ehreramtlichen „Engeln“ betreut werden: Oft findet man in Schutzhütten Bilder an den Wänden, Vasen mit Blumen auf den Tischen und Kisten mit Decken, Sitzpolster und ähnlichem Luxus.
Übernachtungen
Die Campingplatzdichte am Emsweg ist groß genug, um täglich einen Zeltplatz zu finden. Oft gibt es auch mehr als einen Platz, so dass man die Tagesdistanzen variieren kann. Die meisten Plätze hatten eine mittlere Größe und eine einfache bis mittlere Ausstattung mit sauberen Sanitäranlagen. Die Preise empfanden wir als günstig. Auf den Campings gibt es überwiegend Dauercamper, hinzu kommen Camper, die mit Wohnwagen oder Wohnmobil touristisch reisen. Immer wieder trafen wir auch Zeltreisende, die meisten mit dem Rad unterwegs. Wie immer haben wir unsere Campingplätze vorab reserviert oder uns angekündigt, wir hätten mit unserem Trekkingzelt aber auch ohne Reservierung stets noch einen Platz bekommen. Achtung: Das Wetter war während unserer Reise mäßig, die Schulferien in NRW bereits beendet, im Zweifel sorgt eine Reservierung für Sicherheit.
Als Highlight erlebten wir unsere Übernachtung im Kanu Camp Lingen (www.kanucamp-lingen.de): Wir übernachteten auf einer Wiese direkt an der Ems, fanden aber an einem verregneten Morgen Schutz in den urigen Hütten und Unterstände des Camps. Wenn du in der Gegend unterwegs bist, empfehlen wir dir einen Besuch oder eine Übernachtung.
Falls du Zelt-/ Tarp-/ Schutzhütten-Übernachtungen außerhalb von Campingplätzen bevorzugst, wirst du – die diesbzgl. Rechtslage mal unbetrachtet gelassen – am Emsweg gute Voraussetzungen finden.
Eignung für eine Wanderung mit Pilgerwagen
Der Weg ist überwiegend asphaltiert oder geschottert, lediglich kurze – und besonders schöne – Abschnitte führen über Single-Trails in Wäldern oder Heidelandschaften. Auf diesen Pfaden kommt es vor, dass auch mal umgestürzte Bäume überwunden werden müssen. Ansonsten ist der Weg hindernisfrei, selbst die Zahl der Treppenstufen ist überschaubar. Auf einigen Websites ist der warnende Hinweis zu lesen, dass der Weg auf Deichen verläuft und auf diesen immer wieder Zäune zu überklettern sind. Hier können wir Entwarnung geben: Es ist zwar abschnittsweise möglich, auf dem Deich zu wandern, man kann aber problemlos auch auf unmittelbar daneben liegende Wege wechseln.
Weite Teile der Strecke führen über Radwege, die teilweise nur regionale Bedeutung haben und nicht allzu intensiv befahren werden. Einige Abschnitte sind Teil des „Emsradweges“, hier gibt es etwas mehr Radverkehr. Wirklich voll war es aber nie, der Umgang zwischen Radfahrern, Wanderern und Spaziergängern war stets rücksichvoll und unproblematisch.
Der Emsweg ist hervorragend für eine Wanderung mit Pilgerwagen geeignet – insbesondere auch für Einsteiger. Anzumerken ist, dass unsere Tour zwar dem ausgeschilderten Emsweg folgte, wir diesmal aber – häufiger als sonst – Abstecher und alternative Routen wählten. Wir gehen davon aus, dass auf den von uns nicht begangenen Abschnitten des Emsweges keine unangenehme Überraschungen auf Pilgerwagennutzer warten.
Fazit
Der Emsweg mit den von uns gewählten Abstechern ist eine Mischung aus Flachlandwanderungen, Naturerlebnissen und Stadtbesichtigungen. Für uns machten insbesondere die folgenden Punkte diese Tour zu einem besonderen Erlebnis:
- Die Wegbeschaffenheit: Flache, überwiegend asphaltierte oder befestigte Wege erlauben auch mit Pilgerwagen komfortables Wandern, schnelles Vorankommen und große Tagesdistanzen.
- Die Landschaft: Die Ems mit ihren Altarmen und den angrenzenden Auen begeisterten uns ebenso wie Felder, Moore, waldige Abschnitte und kurze Strecken durch Heidelandschaft. Insbesondere der stetige Wechsel zwischen diesen Landschaften macht den Weg zu einer tollen Abwechselung zu den sonst üblichen Berg- und Waldwanderungen.
- Die Städte und Orte: Die meisten Orte und Städte am Weg sind nicht so groß und highlightreich, dass sie für die breite Masse an Touristen einen ganz- oder sogar mehrtätigen touristischen Besuch rechtfertigen. Alle haben jedoch ihren eigenen Charme und bieten Sehenswürdigkeiten, ein Besuch lohnt sich. Ein längerer Aufenthalt lohnt dann, wenn du Zeit und Ruhe für ausgiebigere Erkundungen (Museen usw.) mitbringst. Anders ist das in Leer und Papenburg: Die große Altstadt in Leer oder in Papenburg die Meyer Werft, die alten Stadtteile Obenende und Untenende und die Fußgängerzone am Hauptkanal lassen die Zeit bei einem Tagesbesuch schnell knapp werden.
- Die Schifffahrt: Auf Ems bzw. Dortmund-Ems-Kanal ist nicht allzu viel Betrieb, aber einige Yachthäfen, Binnenschiffe und Sportboote gibt es doch zu sehen. Je weiter nach Norden man der Ems folgt, um so dichter werden auch historische maritime Spuren wie z. B. Schiffsmuseen.
- Die Menschen: Freundliche Kontakte, Hilfsbereitschaft, Interesse an unserer Tour und die Bereitschaft auch eigene Reise- und Lebenserfahrungen zu teilen, haben unsere Tour bereichert.
- Die Infrastruktur: Zahlreiche Möglichkeiten zu Einkauf und Einkehr sowie eine hohe Campingplatzdichte machen die Reise unkompliziert, komfortabel und genussvoll.
TEIL 2: WANDERTAGEBUCH
Tag 1 – Anreise nach Rheine (6 km)
Wow, Blitzstart⚡️🚀 Dank Homeoffice und guter Vorbereitung sitzen wir nur 30 Minuten nach Feierabend im Bus🚌🚅 Der Umstieg in Hannover ist turbulent, gefühlt fahren alle Züge von geänderten Gleisen und mit geänderter Wagenreihung🥴 Da wir uns mit unserem Anhänger im Zug nicht bewegen können, ist es für uns wichtig, die richtige Tür zu finden. Wir meistern diese Herausforderungen🥳 Hannover verabschiedet sich von mir mit einem Wespenstich, „Bienenstich“ wäre mir lieber gewesen🍰😉
Am frühen Abend empfängt uns Rheine mit den ersten Regentropfen des Tages. Den kurzen Schauer sitzen wir aus, dann erkunden wir ausgiebig die Innenstadt – bei Sonnenschein👀 Altes Rathaus, Dionysiuskirche, Bönekerskapelle, Carillon-Glockenspiel, Bote Veit-Denkmal, Nepomukstatue und zahlreiche historische Häuser ziehen uns in ihren Bann😍
Weiter geht es zum Zeltplatz, wir übernachten auf der Zeltwiese des Kanu Clubs. Wir lieben solche Plätze❣️ Meist geht es hier beschaulich zu, so auch heute. Uns zieht es zurück in die City. Ein Bummel, gutes Essen beim Italiener, den Absacker trinken wir in einem Brauhaus am Markt. Wir genießen die auch zu späterer Stunde noch lebhaft-entspannte Stimmung auf dem Platz.
Bald zieht es uns dann doch ins Zelt. Mit dem Gedanken, dass das Wasser der an uns vorbeifließenden Ems unsere Wanderroute vorwegnimmt, gleiten wir – sanft wie ein Kanu – in den Schlaf🥱😴
Tag 2 – Von Rheine nach Emsbüren (24 km)
Interview und Photoshooting noch vor dem Frühstück😯 Ein Reporter einer lokalen Zeitung überrascht uns auf dem Campingplatz, wir freuen uns über das Interesse🙂 Das Koffein für die Pilgerwagennomadin besorgen wir in Rheine☕ Dort bummeln wir über einen großen, um 9 Uhr erstaunlich gut besuchten Flohmarkt. Ein alter Schrank weckt unser Interesse, wir verzichten auf den Kauf – aus Gründen😉
Auf dem Weg zur beeindruckenden Saline „Gottesgabe“ liefern wir uns ein Rennen mit einer Pilgergruppe, es endet unentschieden. Mit Sole in der Lunge ist der Weg zum Kloster Bentlage ein Klacks. Wir erliegen dem Charme des alten Gemäuers😍
Die nächsten KM bieten uns tolle Naturerlebnisse entlang der Ems auf waldigen Pfaden. An einem Hof entdecken wir einen privat betriebenen Rastplatz mit Blick auf einen blühenden Garten. Kalte Getränke und Eis zu Preisen, die kaum kostendeckend sind. Hier wohnt eine gute Seele😇
Ein erster Schauer erwischt uns ohne Vorwarnung, witzigerweise stehen wir direkt vor der ersten Schutzhütte dieser Tour. Erst zieht der Regen weiter, dann wir. Mal wandernd, mal joggend, immer wieder unterbrochen durch kurze Gespräche mit Menschen, deren Neugierde unser Anhänger weckt.
In einem Hofcafe lassen wir uns verwöhnen🍰☕🍺 Kaum sitzen wir, fängt es richtig an zu schütten🌧 Pause vorbei, Regen vorbei: Weiter geht’s. Am Camping in Emsbüren werden wir erneut interviewt, diesmal von einem Radiosender.
Angesichts des Wetters zeigt uns die freundliche Campinginhaberin einen ruhigen Zeltplatz vor einer Schutzhütte mit Tisch und Stühlen. Dies rettet uns den Tag, denn es regnet über Stunden ergiebig. Den geplanten Bummel durch Emsbüren mit Restaurantbesuch streichen wir. Auf Chez Gaskocher haben wir heute auch wenig Lust, feiern lieber Premiere: Erstmals auf einer Wandertour nutzen wir ein Pizzataxi🙂 Bald zieht es uns in unsere kuscheligen Schlafsäcke, wir erliegen der hypnotischen Wirkung der aufs Zeltdach prasselnden Regentropfen😴
Tag 3 – Von Emsbüren nach Lingen (26 km)
Sonntag Morgen. Wir teilen eine große Wiese mit einem netten Pärchen, das auf Jungfernfahrt mit einem selbst ausgebauten Kastenwagen ist. Schon gestern haben wir den Ausbau bestaunt und gute Gespräche geführt. Heute werden wir zum Kaffee eingeladen☕ Vielen Dank 🙂 Ein inspirierendes Gespräch mit einer Hausboottouristin schließt sich an und auch den Bäcker in Emsbüren verlassen wir nicht ohne Schnack🙂
Wir wechseln wieder ins Joggingtempo. Bisher noch nicht erwähnt haben wir die Schutzhütten am Weg: Diese werden von „Trail-Engeln“ betreut. Tischdecken und Blumenvasen auf den Tischen, Bilder an den Wänden! Manchmal gibt es eine Box mit Sitzpolstern und Decken, manchmal andere Überraschungen. Haben wir so noch nirgendwo erlebt, vielen Dank🙂
Wir erreichen Hanekenfähr, bestaunen die alte Schleuse, die bei Bedarf Ems, Dortmund-Ems-Kanal und Ems-Vechte-Kanal trennt. Auf der Terrasse eines netten Cafes, machen wir es uns gemütlich. Gestärkt mit 🍰☕, Ostfriesentee sowie einigen Sonnenstrahlen ziehen wir weiter.
Wir teilen ein Stück des Weges mit einer Spaziergängerin und führen ein inspirierendes Gespräch. Wenig später erwischt uns ein kräftiger Regenguss, nach 10 Minuten erreichen wir einen Unterstand, 1Minute später hört es auf zu regnen 🙂
Im Kanu Camp Lingen schlagen wir, nach sympathischer Begrüßung, unser Zelt auf. Der Stadtbummel durch Lingen begeistert uns. Neben der Innenstadt ist es vor allem ein alter Friedhof, der uns fasziniert. Nach einem leckeren indischen Abendessen verbringen wir den Abend im Camp. Stell dir ein Eventgelände im Wald vor, überall gibt es gemütlich dekorierte Hütten und Unterstände. Heute mittag boten diese Raum für ein Yoga-Event, nun uns Regenschutz. Toll, dass es so besondere Ort gibt😍
Tag 4 – Von Lingen nach Geeste (24 km)
Auch der Montag beginnt mit Schauern🌧 Wir nutzen eine Hütte des Kanu Camps, können unter einem Dach das Zelt abbauen. Ist das noch Camping oder schon Glamping?😉 Die einzigen anderen Gästen sind ein radfahrendes Ehepaar, 1.000 km in drei Wochen mit Zelt sind geplant. Wir tauschen Erfahrungen aus.
Wandernd folgen wir über mehrere KM auf schmalem, waldigen Pfad der Ems. Ständig geht es kurz und steil hoch oder runter, gelegentlich müssen wir Baumstämme überwinden. Wandergenuss pur😇 Als der Wald sich lichtet, blicken wir auf einen See, an dessen Rändern die Heide blüht👀 Weiter geht es auf schmalen Pfaden, aber nun durch eine Heidelandschaft, die ständig ihren Charakter ändert. Mal blühende Flächen, mal sandige Brachen mit blühenden Inseln. An einem weiteren See rasten wir und verarbeiten die Eindrücke. Selten haben wir auf so wenigen KM eine so abwechslungsreiche Landschaft durchwandert😍
Die trailigen Pfade haben uns ebenso gebremst wie die zahllosen Photostops. Wir haben pro Stunde kaum 3 KM geschafft, sind schon lange unterwegs, haben noch viel vor uns. Die Wege werden breiter, wir blinken links und geben Gas. Ein kurzer Stop, um einige Mirabellen zu pflücken, weiter geht’s.
Am späten Nachmittag holt uns die Erschöpfung ein. Wir werden müde, die Pilgerwagennomadin halluziniert auf einem Feldweg den Duft von frisch Gebackenem. Erst belächle ich sie, dann rieche ich es auch🥴 Das Rätsel löst sich, als wir wenig später vor dem Werksgelände der Keksfabrik Coppenrath stehen. Es gibt ein Outlet und ein Cafe, die noch eine Stunde geöffnet haben. Die folgenden 60 Minuten werden intensivst genutzt, wir ersparen euch Details😉 Als wir weiterziehen, wiegt auch unser Pilgerwagen etwas mehr😉
Auf dem Camping gibt es deshalb abends nur eine Kleinigkeit vom Gaskocher, zur Abwechslung mal Gemüse 🙂 Morgen haben wir viel vor, deshalb früh😴
Tag 5 – Von Geeste über Meppen nach Haren (33 km)
Blauer Himmel, Sonnenschein, ein saftiges Eiweißbrot mit Humus, Kekse als Nachtisch. Rundum glücklich starten wir in den Tag😇
In Meppen treffen wir die Schriftstellerin Margret Koers, die uns auf eine Zeitreise in Form eines Altstadtbummels einlädt. Margrets historischer Roman „Hexenschwert“ beleuchtet das Schicksal von Gesina Brink (Link zum Buch). Die im Volksmund als „Goose Sienken“ bekannte Frau wurde von ihrem gewaltätigen Mann zu Diebstählen und Brandstiftung gedrängt, letztlich 1807 in Meppen hingerichtet. Wir erkunden gemeinsam nicht nur die Meppener Altstadt, sondern erfahren an Originalschauplätzen mehr über Gesinas Schicksal, die Täterin und Opfer zugleich war. Liebe Margret, es war uns ein Fest, dich kennenlernen zu dürfen, wir danken dir für dieses informative und bewegende Erlebnis.
Ab Meppen folgen wir im Joggingtempo dem Dortmund-Ems-Kanal, später führt uns der Weg durch Felder und Dörfer. Auch heute fallen uns wieder Marienschreine auf, die wir sonst, in anderer Bauart, eher aus Süddeutschland kennen. Kurze Gespräche mit Radlern und Anwohnern bereichern unseren Weg.
Ein kräftiger Wind treibt die Wolken, mal scheint die Sonne, mal gießt uns ein kurzer Schauer. Pausierend reduzieren wir den gestern aufgebauten Keksvorrat, mit vollem Bauch geht es im Wandertempo weiter🙂
Schrecksekunde auf dem Campingplatz: Minuten nach dem Aufbau bricht unser Zelt im frischen Wind zusammen😵 Wir fürchten Totalschaden und Urlaubsende, können den Schaden am Gestänge aber zum Glück beheben😇 Wir sind erleichtert, genießen eine heiße Dusche, die sich nun durchsetzende Sonne, einen Eisvogel, der uns Gesellschaft leistet und einen abendlichen Stadtbummel durch Haren. Highlights sind das Schiffsmuseum und ein tolles asiatisches Abendessen. Und die Nacht im Zelt, das uns weiter Obdach bietet😴
Tag 6 – Von Haren nach Walchum (30 km)
Sonne, ein intaktes Dach über dem Kopf, trockene Ausrüstung, eine Steckdose, Stühle und frischer Kaffee☕ Dinge, die wir im Alltag kaum wahrnehmen, produzieren heute Glücksgefühle😇
Wir bummeln noch einmal durch die Harener Fußgängerzone und besichtigen den wunderschönen „Emslanddom“👀 Gefühlt verlassen wir anschließend die Zivilisation, es geht fast nur durch die Natur. Sporadisch passieren wir einzelne Höfe, kleine Weiler und das alte Schloss Haus Landegge. Dazwischen sehen wir kaum einen Menschen, dafür drei Rehe, genießen die Ruhe und die Zeit zu zweit❤
Eine Einkehrmöglichkeit gibt es nicht, so freuen wir uns sehr, als wir bei aufkeimendem Pausenbedürfnis in der Ferne eine Bank entdecken. Aus der Nähe stellen wir fest, dass die Bank sogar eine Lehne und einen Tisch besitzt. Wieder empfinden Glück😇 Statt Kuchen genießen wir heute Früchte: Teils gelb, krumm und weitgereist🍌, teils klein, rund und am Wegesrand gepflückt [StellDirHierEinBrombeerEmojiVor]😉 Dazu die letzten Kekse aus dem Outlet😉
Mehrere Aussichtstürme bieten Ausblicke in die Landschaft: Wälder, Felder, Moore, ein See und Emsauen wechseln sich ab. Mal joggend flott, mal wandernd langsam. Recht erschöpft erreichen wir den Campingplatz, bauen nur kurz auf, ziehen dann wieder los: Shopping und Diner stehen auf dem Programm.
Dank geschlossener Restaurants, sind wir früher als gedacht wieder auf dem Campingplatz. Da wir weder Lust auf Schnibbeln noch auf Kochen hatten, haben wir uns mit diversen Antipasti, Fertigsalaten und ähnlichen Köstlichkeiten eingedeckt: Kaltes Buffet für Zwei im Freien😀 Heisse Dusche, Schlafsack😴
Tag 7 – Von Walchum nach Tunxdorf (30 km)
Beim morgendlichen Richten der Ausrüstung leistet uns nicht nur die Sonne Gesellschaft: Wir kommen mit einem Herrn ins Gespräch, der augenscheinlich sehr betagt und gesundheitlich eingeschränkt ist. Wir schätzen in auf über 80. Er berichtet von einem Leben mit körperlich harter Arbeit, persönlichen und gesundheitlichen Schicksalsschlägen. Man spürt, dass ihn diese Dinge beschäftigen, aber er ist nicht verbittert, sondern kommunikativ und gut gelaunt. Dafür empfinden wir Respekt. Als er uns sein Alter nennt, wühlt uns dies sehr auf: Er ist nicht einmal Mitte 60, nur wenige Jahre älter als ich😶
Der Weg hat heute einen anderen Charakter als an den Vortagen: Er folgt viele KM dem Ems-Radweg, der hier direkt am Dortmund-Ems-Kanal verläuft. Für uns Gelegenheit, wieder ein paar Trab-KM zu sammeln. Wir haben oft Small-Talk mit Radlern, meist nur ein kurzes „Moin!“, gefolgt von zwei Halbsätzen zu unserer Reiseart – mal humor-, mal respektvoll😉
Vor Rhede führt uns der Weg noch einmal von der Ems weg. Wir besichtigen die Kirche im Dorf Borsum, wandern dann durch ein schönes Waldgebiet. In Rhede machen wir aus der Not (es gibt kein Restaurant in Campingplatznähe) eine Tugend und essen frühzeitig zu Abend: Wir landen einen Glückstreffer, genießen leckere Speisen in einem gemütlichen Biergarten. Wir sind die einzigen Gäste, genießen die volle Aufmerksamkeit der Gastgeber und wundern uns, dass diese gastronomische Perle so wenig Gäste findet. In diesen Moment fährt ein Reisebus vor, binnen 60 Sekunden fühlt sich das Lokal mit gutgelaunten Senioren😃
6 KM, 1 Wegsperrung, die wir durch 2 Kletterpartien und 1 Hebefigur umgehen und wir sind am Campingplatz😉 Zeit für einen besinnlichen Abend. Die morgendliche Begegnung hat uns in Gedanken und Gesprächen begleitet: Respekt vor dem Umgang mit diesen Schicksalsschlägen. Dankbarkeit und Demut, dass wir bisher nur von kleinen und mittleren Schlägen getroffen wurden und noch in der Lage sind, unsere körperlich fordernden Reisen zu absolvieren. Die tief empfundene Einsicht, dass unsere Zeit begrenzt ist und wir sie so gut es geht nutzen wollen. Das Wissen, dass wir genau dies gerade tun😇😴
Tag 8 – Von Tunxdorf über Papenburg nach Weener (28 km)
Mit Kröte gekuschelt?😱 Letzte Nacht hat es gelegentlich geraschelt, heute Morgen beim Zeltabbau entdecken wir eine große Erdkröte, die es sich unter dem Zelt gemütlich gemacht hat😄 Wir sind erleichtert, dass wir sie nachts nicht erdrückt haben und sie auch nicht den Weg in unsere Schlafsäcke gefunden hat😉
Im Frühtau zu… Wir haben viel vor und starten bei strahlendem Sonnenschein früh in den Tag. Die ersten 2 km führen durch taufeuchtes Gras. Erneut sind wir mit nassen Füßen unterwegs. Ein Reh tröstet uns: Nur 20 Meter entfernt, beäugt es uns misstrauisch, ergreift aber nicht die Flucht👀
Wir erreichen Papenburg. Kreuzfahrten zählen nicht zu den von uns bevorzugten Reisearten. Dennoch ist es für uns faszinierend zu erleben, wie diese Schiffsriesen ein gutes Stück von der Küste entfernt in Papenburg gebaut werden. Einblicke bekommen wir bei einer spannenden Führung durch die Meyer Werft.
Auch Papenburg selbst gefällt uns gut. Der Stadtpark, das alte Rathaus, St. Antonius und vor allem die Flaniermeile entlang des Hauptkanals: Auf mehreren hundert Metern liegen historische Schiffe im Kanal, die Straße ist überreich mit blühenden Pflanzen geschmückt. Auf beiden Seiten gibt es Geschäfte und Gastronomie, wir kehren ein☕🍰
Wir wechseln die Emsseite und nähern uns Weener. Wir spüren die Anstrengungen der letzten Tage und die hohen Temperaturen, häufiger Small-Talk mit Radlern und ein Gespräch mit einer älteren Einheimischen sorgen für Abwechselung. An einem Bauerhof gibt es einen Rastplatz mit Erdkühlschrank. Wir trinken ein Radler zu Gunsten eines Kinderhospizes. Tolle Idee❣
Am Campingplatz angekommen stellen wir fest: Unsere Dose mit „Notfallbier“ ist ausgelaufen. Komplett🤬 Ein halber Liter Bier tränkt unsere Ausrüstung😑 Wir reinigen so gut es geht, dennoch riecht alles – auch wir – wie eine Kneipe😉 Den eigentlich geplanten Ortsbummel durch Weener streichen wir angesichts der Uhrzeit. Den Restaurantbesuch gönnen wir uns, wählen Sitzplätze auf der Terrasse und bestellen schnell zwei Bier. Reden uns ein, dass wir nun nicht mehr auffallen😉 Zurück am Campingplatz reinigen und trocknen wir, bis wir😴
Tag 9 – Von Weener nach Leer; Heimreise (16 km)
Obwohl frisch geduscht, duften wir nach dem gestrigen Missgeschick schon beim Frühstück wie eine Brauerei🤭 Müssen wir durch, ist ja der letzte Tag.
Beim Wandern beschäftigt uns ein Gespräch vom gestrigen Abend: Ein junger Mann, hat Job und Wohnung gekündigt, reist seit Monaten mit minimaler Ausrüstung, Zelt und Fahrrad. Ein geplantes zeitliches Ende oder geographisches Ziel hat seine Reise nicht. Gebannt lauschen wir seinen Reiseerlebnissen, seine Herausforderungen sind ungleich schwieriger als unsere. Wir empfinden großen Respekt, machen uns aber „typisch deutsche“ Sorgen: Wie finanziert er wohl die Reise? Und was ist mit der Rente? Wir erleben ihn als Menschen, der nicht sorglos in den Tag lebt, sondern seine Entscheidungen und deren Folgen sorgfältig abwägt. Eine sehr inspirierende Begegnung😇
Wir überqueren die Ems auf einer riesigen, zweiteiligen Hubbrücke. Diese öffnet sich, um ein kleines Segelboot passieren zu lassen. Minutenlang müssen Dutzende Autofahrer, Radler und zwei Wanderer warten. Hier wird sinnbildlich den Bedürfnissen von Schwachen und Minderheiten Rechnung getragen, was etwas Schönes hat🙂
Leer empfängt uns mit kräftigem Regen, auf einen ausgiebigen Stadtbummel verzichten wir dennoch nicht. Wir entdecken eine sehr sehenswerte Stadt, nehmen uns einen weiteren Besuch bei besserem Wetter vor.
Dass Tourende feiern wir in einer gemütlichen Teestube mit einer ostfriesischen Teestunde – inklusive Kuchen. Dicke Polstermöbel, gedämpfte Stimmen, auch wir kommunizieren nur mit Augen und Lächeln😊
Es schüttet nun wie aus Eimern, wir erreichen völlig durchnässt den Bahnhof. Unsere Kleidung für die Heimfahrt besteht aus einer wilden Mischung aus halbwegs trockenen, geruchsarmen Textilien und der hohen Kunst des Weglassens🤫 Tourfazit: Fantastische Natur, schöne Städte, freundliche Menschen, eine wunderbare Reise😇
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