ᵂᴱᴿᴮᵁᴺᴳ Unser Plan: Anderthalb Wochen durch den Landkreis Gifhorn wandern! Zur Vorbereitung haben wir Sehenswürdigkeiten und potenzielle Übernachtungsorte gesammelt. Dann mit einer Outdoor-App die verbindenden Wanderwege recherchiert, rund 230 km in 9 Tagen sollten es werden. Übernachtungen im Zelt, Gepäcktransport im Pilgerwagen waren ebenfalls gesetzt.

Ein Wanderurlaub, der keinem Premium-Weg folgt? Der nicht einmal durch eine Region führt, die als touristischer Hotspot gilt? In unserem Umfeld erzeugte diese Idee eine gewisse Skepsis. Doch wir waren schon nach unseren Recherchen sicher, dass es eine tolle Tour werden wird. Unsere hohen Erwartungen wurden noch übertroffen, wie der folgende Bericht zeigt. Er besteht aus zwei Teilen:

  • Teil 1: Wir beginnen mit Informationen zur Region und zu den Menschen, zu Übernachtungsmöglichkeiten, zur Wegeplanung und zur Eignung des Weges für Wanderanhänger. Wie üblich, endet dieser Teil mit einem Fazit.
  • Teil 2: Es folgt unser „Wandertagebuch“, das wir tourbegleitend in sozialen Netzwerken veröffentlichten.

TEIL 1: INFORMATIONEN


Die Tour in Zahlen und Fakten

Tage: 9 | Personen: 2 | Distanz: 230 km | Höhenmeter: 550 m Anstieg, 530 m Abstieg | Pilgerwagen-Gewicht: 27 – 32 kg | Übernachtungen: Zelt

Die Südheide Gifhorn Tourismus unterstützte unsere Wanderung mit Rat und Tat. Auch wenn dies keinen Einfluss auf den Inhalt meines Berichts hatte, kennzeichne ich diesen als ᵂᴱᴿᴮᵁᴺᴳ.

Die Region

Der Landkreis Gifhorn liegt im Osten Niedersachsens. Im Norden geht er in die Lüneburger Heide über, im Osten grenzt er an Sachsen-Anhalt, südlich liegen die Städte Braunschweig und Wolfsburg, westlich Hannover und Celle. Die Region erstreckt sich über 56 km in nord-südlicher Richtung sowie über 50 km in west-östlicher Richtung. Auf diesem Gebiet leben knapp 180.000 Menschen, allein 43.000 in der namensgebenden Stadt Gifhorn. Weite Teile des Landkreises sind nur dünn besiedelt, dies gilt insbesondere für den Norden.

Bei einer Wanderung wirst du den Landkreis Gifhorn als „Flachland“ wahrnehmen. Zwar gibt es einige Hügel, doch diese erheben sich stets nur wenig über die Umgebung. Ausgedehnte Wald-/ Forstgebiete mit unterschiedlichem Charakter, große Moore, Heideflächen und landwirtschaftlich genutzte Felder bieten dem Auge Abwechslung. Die Landschaft ist durchsetzt mit Teichen und kleinen Seen, die Flüße Aller, Ise, Ohre und Oker fließen hindurch. Zudem zerteilt der Elbe-Seitenkanal den Landkreis in zwei Hälften, im Süden berührt der Mittellandkanal die Region.

Neben Gifhorn und wenigen Kleinstädten, ist der Landkreis überwiegend dörflich besiedelt. Hier erfreuen alte Höfe und typisch niedersächsisches Fachwerk das Auge. Eine Besonderheit sind die sogenannten „Rundlinge“: Ursprünglich slawisch besiedelte Dörfer, die kreis- bzw. tortenförmig um einen Dorfplatz angelegt wurden. Dünne Besiedlung, schöne Ortschaften, abwechslungsreiche Landschaft: Die Region bietet beste Voraussetzungen für einen abwechslungsreichen Wander- oder Rad-Urlaub.

Die Menschen

Oft kündigen wir Mehrtages-Wanderungen vorab in den sozialen Netzwerken an. Stets erzeugt dies ein gewisses Interesse in der Region: Einheimische lesen unsere Tagesberichte, kommentieren, geben Tipps, gelegentlich werden Einladungen ausgesprochen. Unsere Tour durch den Landkreis Gifhorn erzielte schon vor dem Tourstart eine enorme Resonanz! Wir erhielten zahlreiche „Zelten & Duschen-Einladungen“, die Annahme aller „Kaffee-Einladung“ hätte sicher zu einer Koffein-Vergiftung geführt. Auch drei regionale Zeitungen berichteten über unsere Wanderung.

In der Folge durften wir uns unterwegs wie „kleine Promis“ fühlen: Hupende Autos, immer wieder wurden wir von Radfahrern und Fußgängern erkannt und freundlich angesprochen. Wenn wir in Dörfern rasteten, wurden uns oft Getränke, Schlafplätze und ähnliche Hilfen angeboten. In Gifhorn begleitete uns ein Anwohner zu den Highlights der Innenstadt. In den Sehenswürdigkeiten erhielten wir meistens Führungen, unsere neugierigen Fragen erzeugten nie Ungeduld.

Bald merkten wir: Die offene und gastfreundliche Art erleben wir auch dann, wenn unser Gegenüber uns nicht als „Pilgerwagennomaden“ identifiziert. Und: Je ländlicher die Umgebung, umso weiter steigt die Gastfreundschaft. Die wenigen anderen Rucksack-Wanderer, mit denen wir uns unterwegs austauschten, bestätigten uns diese Einschätzungen.

Übernachtungen

Im Landkreis Gifhorn kannst du auf rund einem Dutzend Campingplätzen dein Zelt aufstellen. Ergänzend gibt es alternative Übernachtungsmöglichkeiten wie das Dachzeltdorf in Meinersen, den Sleeparoo-Cube in Brome und das im Aufbau befindliche Schäferwagen-Hotel in Rade. Die von uns besuchten Campings boten attraktive Stellplätze, saubere Sanitäranlagen sowie eine gute Infrastruktur zu fairen Preisen. Teilweise lagen die Campings direkt an einem Badesee. Auf einigen Plätzen gab es Restaurants, in denen wir preiswert und erwähnenswert gut gegessen haben.

In den Etappenorten ohne Campingplatz durften wir auf privatem Grund zelten, oft in landschaftlich fantastischer Lage. Meistens mussten wir nach solchen Möglichkeiten nicht einmal fragen, sondern wurden aktiv eingeladen. Auch die Nutzung von Toilette und Waschgelegenheit oder Dusche wurde uns erlaubt. Wie immer gilt: Als erfahrener Zeltwanderer wirst du wissen, wo du nach solchen Plätzen suchen und wen du wie um Erlaubnis fragen musst. Und du wirst wissen, wie du dich zu verhalten hast, damit auch nach dir Zelter noch willkommen sind.

Bevorzugst du geschlossene Räumen, findest du im Landkreis Gifhorn ein gutes Angebot an Hotels, Pensionen, Gasthöfen und Ferienwohnungen. Einen Überblick über das Angebot bietet dir www.suedheide-gifhorn.de.

Wegeplanung und Eignung für eine Wanderung mit Pilgerwagen

Namhafte Fernwanderwege und Radfernwege führen durch den Landkreis Gifhorn, so z. B. das Grüne Band, der E6, der Aller-Radweg und der Weser-Harz-Heide-Radweg. Einen expliziten Fernwanderweg, der die Sehenswürdigkeiten der Region verbindet, gibt es aber nicht. Dies bietet dir die Chance, selbst zum „Pfadfinder“ zu werden: Mit Karte oder einer der gängigen Outdoor-Apps erstellst du dir deinen persönlichen „Premium-Weg“, der die gewünschten Sehenswürdigkeiten und Übernachtungsorte verbindet.

Uns ist dies problemlos gelungen: Es gibt ein dichtes Netz an Wander- und Radwegen, schmalen Pfaden, Feld- und Forstwegen sowie Nebenstraßen. Die Navigation ist über Straßen- und Radweg-Beschilderung möglich, die ergänzende Nutzung von Karten oder GPS-/ GPX-Tracks ist sinnvoll. Bemerkenswert:

  • Ein Teil des Radwege-Netzes basiert auf dem bewährten „Knotenpunkt-System“.
  • Die Open Source Karten sind in der Region gut gepflegt: Wir hatten lediglich zwei kurze Wegabschnitte die zugewachsen waren, diese konnten wir gut umgehen.

Der Landkreis Gifhorn ist ein Paradies für Pilgerwagen-Einsteiger: An- und Abstiege, technisch schwierig zu gehende Wege, Weidegatter, Treppen und ähnliche Herausforderungen fehlen fast völlig. Entspannter Wandergenuß ist hier auch mit Pilgerwagen möglich. Sportliche Herausforderungen kannst du selbst durch Wahl der Distanz und der Geschwindigkeit herstellen – sofern dir danach ist.

Fazit

Urlaub im eigenen Land boomt! Und während sich Menschenmassen an den bekannten Hotspots tummeln, warten weniger bekannte touristische Perlen auf Entdeckung. Der Landkreis Gifhorn ist eine solche Perle! Hier kann man noch in Ruhe einen ebenso naturnahen wie erlebnisreichen Urlaub verbringen: Sanfter, nachhaltiger Tourismus von seiner besten Seite. Tipp: Gönn dir einige Tage im Landkreis Gifhorn. Erkunde die Region idealerweise mit Wanderschuhen, dem Fahrrad oder E-Bike.

TEIL 2: WANDERTAGEBUCH


Tag 1 – Von Wittingen bis Rade (20 km)

Juhuuu, wir sind wieder unterwegs🎈 Nach unkomplizierter Bahnanreise steigen wir in Wittingen aus dem Zug und erkunden diese liebenswerte Kleinstadt. Wir entdecken jahrhundertealte Gebäude wie den „Junkerhof“ und „Haus Kreyenberg“ sowie die altehrwürdige St. Stephanus Kirche. Auf den Wallanlagen spekulieren wir, dass diese Befestigungen dem Schutz der örtlichen Brauerei vor durstigen Horden dienten. Als „durstige Ein-Personen-Horde“ an der – immer noch privat betriebenen – Wittinger Brauerei angekommen, stelle ich entäuscht fest: Coronabedingt gibt es keine Führung/ Verkostung😑 Meine Pilgerwagennomadin mahnt mit einem Verweis auf die frühe Stunde: „Kein Bier🍺 vor Vier!“😉

Wir sammeln nun Wander-Kilometer und erreichen den Rundling „Lüben“. Rundlinge sind ursprünglich slawisch besiedelte Dörfer, die rund bzw. tortenförmig um einen Dorfplatz angelegt wurden. Der Dorfplatz und die schmucken alten Häuser versprühen eine urgemütliche Atmosphäre, die wir als bekennende Rundling-Fans gerne für eine Rast nutzen🍌🥨 Wir wechseln einige Worte mit einer sympathischen Anwohnerin, die uns zum Kaffee einlädt☕ Leider müssen wir ablehnen, wir haben noch einige Kilometer vor uns.

Weiter geht es zu unserem heutigen Zielort „Rade“: Dieser liegt unmittelbar am „grünen Band“, der früheren innerdeutschen Grenze. Hier besichtigen wir Reste der alten Grenzanlagen, die uns bewusst machen: Unsere Wanderungen sind Ausdruck einer nicht selbstverständlichen Freiheit. Mit diesen Gedanken erreichen wir das Gasthaus „Radener Deele“ und werden allerbestens bewirtet. Jetzt – nach Vier – bekomme ich sogar Wittinger Bier🍺. Lecker🙂 Der Wirt lädt uns ein, auf seiner Streuobstwiese zu zelten😀. Wir nächtigen nicht nur unter Obstbäumen, sondern in Gesellschaft von Hühnern, Ziegen und Schafen. Sonne, gutes Essen, kühle Getränke und ein fantastischer Zeltplatz: Ein Urlaub kann wahrlich schlechter beginnen♥️.

Tag 2 – Von Rade bis Hankensbüttel (20 km)

Welch ein Start: In der Radener Deele mit einem leckeren Frühstück gestärkt, durchwandern wir das lieb gewonnene Wittingen und überqueren bald den Elbe-Seitenkanal. Hier entdecken wir den „fliegenden Holländer“: Ein Boot, dass in luftiger Höhe auf einem Ständer steht und für einen Hafen wirbt. In Alt-Isenhagen folgen wir der Allee zum alten Ortskern und rasten auf dem wunderschönen Friedhof. Hier scheint die Zeit langsamer zu verstreichen, Entschleunigung pur🙂

Welch eine Ehre: Im Kloster Isenhagen lädt uns die Äbtissin zum Mittagessen ein und führt uns durch das Kloster. Tief beeindrucken uns das Gebäude und der Garten, vor allem die Begegnung und die Einblicke ins Klosterleben. Äbtissin Jäger konnte unsere Vorurteile über das Klosterleben korrigieren🙂

Welch ein Kontrast: Nur wenige Minuten Fußweg trennen das Kloster vom Otter-Zentrum. Hier beobachten wir Fischotter, Dachs, Hermelin, Nerz, Marder und Co. Fast nebenbei erfahren wir Wissenswertes über Leben und Lebensräume dieser Tiere. Den Besuch dieses vom „Aktion Fischotterschutz e.V.“ betriebenen Parks können wir sehr empfehlen. Nach einem abendlichen Bummel durch Hankensbüttel, schlagen wir unser Zelt beim Otterzentrum auf. Erschöpft von den vielen Eindrücken, schlafen wir bald glücklich ein😴

Tag 3 – Von Hankensbüttel bis Knesebeck (19 km)

Wir öffnen unser Zelt, vor uns der Isenhagener See im Morgenlicht. Ein toller Ausblick👀

Außerplanmäßig wandern wir zurück nach Wittingen, Coronatests sind fällig. Diese fallen negativ aus, was wir positiv finden🙂 Unsere Stimmung steigt weiter, als wir wenig später von einer im Rollstuhl sitzenden Dame angesprochen werden. Sie verfolgt unsere Tour online, hat früher im gestern von uns besuchten Otterzentrum gearbeitet. Wir tauschen uns aus, dann gehen drei lächelnde Menschen auseinander. Täglich haben wir solche Begegnungen. Mal dauern sie Stunden, mal Sekunden. Wichtig sind sie uns alle😊

Rundling Eutzen: Eine Bank im Schatten einer mächtigen Eiche. Vögel zwitschern. Vor uns die alte Feldsteinkirche St. Georg. Um uns herum alte Höfe, einer mit beeindruckender Fassade. Rhododendren in voller Blüte. Gelegentlich schaut ein Hofhund nach dem Rechten. Wir rasten, stärken uns mit Wasser und Brötchen. Urlaubsgenuss vom Allerfeinsten😇

Am Nachmittag erreichen wir den Campingplatz in Knesebeck. Schnell steht unser Zelt, schnell hängt unsere Kleidung nach einer Wäsche auf der Leine. Nach drei Tagen die erste Dusche, wir fühlen uns sauber. Wir springen in den Badesee. Wir fühlen uns erfrischt. Direkt am See liegt die Terrasse des Restaurants Strandperle Da Castellana. Dort verbringen wir einen wunderschönen Abend, bei leckeren Speisen und Getränken. Der Service ist ebenso gut gelaunt wie die Gäste. Ein Stück Normalität, lange schmerzlich vermisst. Wir fühlen uns… nein, wir sind glücklich🥰😇😊

Tag 4 – Von Knesebeck bis Brome (27 km)

Duschen, ein letzter Blick auf den See und wir verlassen den Camping Knesebeck. Weit kommen wir nicht: Die Burg Knesebeck und ihre Umgebung fesseln unsere Aufmerksamkeit. Wir führen ein gutes Gespräch mit einer freundlichen Anwohnerin, sie lädt uns ein, ihren Garten zu besichtigen und dort zu zelten. Wir bestaunen den gepflegten Blütenreichtum, zum Bleiben ist es noch zu früh🙂

Heute wandern wir durch Wälder, immer wieder öffnet sich die Landschaft, über Felder blicken wir in die Ferne. Wir wechseln einige Worte mit dem örtlichen Förster, er teilt mit uns sein Profi-Antimückenmittel🙂 Als sich der Wald erneut lichtet, stehen wir überrascht vor einer Kirche, der zugehörige Friedhof ist gepflegt wie ein Park. Wir rasten🙂

Eine weitere Pause gönnen wir uns im Rundling Wiswedel. Kaum sitzen wir, werden uns Getränke angeboten. Wieder nimmt sich jemand Zeit für ein Gespräch🙂 Wir passieren den schönen Ohre-See und erreichen die Burg Brome.

Im Cafe der Burg werden wir herzlichst empfangen, mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen verwöhnt☕🍰. Im Museum der Burg Brome gehen wir auf Zeitreise und erleben, wie früher der Alltag in Haushalt und Handwerk aussah. Vergangenheit wird lebendig, einen Besuch können wir sehr empfehlen.

Wir genießen einen Bummel durch Brome, essen gut zu Abend. Und ein leckeres Eis🙂 Zurück im Burghof, genießen wir die besondere Stimmung dieses Ortes. Die Einladung, im Burggarten zu zelten, nehmen wir erfreut an. Burgdame/ -herr👸🤴 für eine Nacht🙃 Romantik-Tipp: Bald wird ein Luxuszelt im Burggarten aufgestellt, diese besondere Übernachtung kann dann jeder nacherleben🥰😍

Tag 5 – Von Brome bis Stüde (33 km)

Was für eine schöne Nacht auf Burg Brome! Es fällt uns schwer, unseren Status Burgdame/ Burgherr aufzugeben😉 Brome versüßt uns den Abschied mit dem Naturschutzgebiet „Ohreauen“, das wir durchwandern. Bald erreichen wir die Orte Zicherie und Böckwitz, die durch die innerdeutsche Grenze geteilt waren. Hier fallen uns nicht nur Reste der Grenzanlagen auf, sondern auch Gedenktafeln und -steine, die an historische Ereignisse erinnern: den Mauerbau, den Mauerfall und an ein Europa mit offenen Grenzen.

Über viele Kilometer wandern wir durch die Natur: Durch Felder und Wälder, durch das riesige Vogelmoor, vorbei an blühenden Ginstersträuchen. Auch die Tierwelt leistet uns heute besonders zahlreich Gesellschaft: Blindschleichen, Maikäfer, Kühe, Ziegen, Schafe, Rehe, Störche, Pferde, einen trächtigen Esel und einen Koi nennen wir gerne als Beispiele. Gelegentlich unsere Nähe suchende Stechmücken verschweigen wir😉

Nach 28 Km erreichen wir das Zweiradmuseum in Grußendorf. Herr Tantius präsentiert uns kompetent und anekdotenreich seine Schätze: Mopeds und Fahrräder aus der Zeit des Wirtschaftswunders, liebevoll gepflegt. Wir genießen diese kleine Zeitreise.

Weiter geht es zum Bernsteinsee: Rund um den See ist ein Freizeitparadies entstanden: Badesee mit Sandstrand und Wakeboard-Anlage, Adventure-Golf Park, 3D-Bogensport-Gelände, Kart-Bahn, Beach-Bar, Hotel, Restaurant und vieles mehr. Hier lässt es sich aushalten, wir schauen heute aber nur zu, die Wanderkilometer fordern ihren Tribut😄

Tag 6 – Von Stüde bis Gifhorn (20 km)

Kennst du das Gefühl? Wenn du eine Region intensiv bewanderst, entsteht eine emotionale Bindung. Kehrst du später zurück, ist es wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund. So geht es mir heute bei der Überquerung des Elbe-Seitenkanals, den ich im Februar abgelaufen bin. Wir sind sicher: Wenn wir künftig in den Landkreis Gifhorn zurückkehren, wird sich dieses Gefühl ebenfalls einstellen❣

Wir begleiten meinen alten Freund ein kurzes Stück, wandern dann durch das Große Moor. Dieses ist teilweise noch intakt, teilweise durch den Torfabbau gezeichnet. Die Landschaft wirkt wie aus einer anderen Welt, der Anblick der durch das Gelände schleichenden Moorbahn zeigt uns: Wir sind noch auf der Erde😉

Der Ort Triangel überrascht uns mit seinem Namen und seinem Rhododendron-Park. Wir bestaunen die üppige Blütenpracht… von außen, denn wir finden den Eingang nicht🙃

In Gifhorn passieren wir Mühlenmuseum und Glockenpalast, die wir morgen besichtigen wollen. Das Angebot eines Einheimischen, uns ein wenig die Stadt zu zeigen, nehmen wir gerne an. So sehen wir das Schloss und sein Museum, das Kavaliershaus, die Hochzeitsmühle, den langen Jammer und vieles mehr. Den Abend lassen wir in verschiedenen Restaurants und Biergärten der Fußgängerzone ausklingen. Hier herrscht reges Treiben, die Menschen genießen die Corona-Lockerungen🙂

Tag 7 – Von Gifhorn zum Tankumsee (22 km)

Nach einer ruhigen Nacht, Katzenwäsche am See beim Gifhorner Mühlenmuseum. Wir fühlen uns halbwegs vorzeigbar😉 Herr Oppermann, der Geschäftsführer des Mühlenmuseums, lässt uns eine Stunde vor der Öffnung auf das Gelände und nimmt sich kompetent und freundlich Zeit für uns. Hier hat jemand spürbar sein Hobby zum Beruf gemacht.

Am Holzofen schauen wir Bäckermeister Stefan über die Schulter. Er beherrscht die Handwerkskunst des „Backens bei fallenden Temperaturen“, reicht uns Kostproben seiner „gebackenen Glücksmomente“. Lecker☺ Nebenbei beantwortet er humorvoll unsere Fragen. Auch hier arbeitet der richtige Mensch am richtigen Ort.

Stunden nehmen wir uns zur Erkundung der Mühlen und Ausstellungsobjekte. Von der beeindruckenden alten Technik abgesehen, stehen hier faszinierende Gebäude in atemberaubender Landschaft. Ständig neue Bilder brennen sich auf unsere Netzhaut – unsere Speicherchips füllen sich rasant mit Fotos. Leider fehlt uns die Zeit, auch die russisch-orthodoxe Kirche und den Glockenpalast zu besichtigen. Ein weiterer guter Grund, bald nach Gifhorn zurückzukehren. Wir gehen aber nicht, ohne des Bäckermeisters Kunst ausgiebig zu genießen.😇

Zurück in der Gifhorner Innenstadt überrascht uns zunächst ein Gewitter, dann Frau Posselt, die Redakteurin der Aller Zeitung. Sie bietet uns nicht nur Obdach, sondern interviewt uns auch. Vielen Dank🙂

Wir ziehen weiter zum schönen Tankumsee, einem wahren Freizeitparadies. Hotel, Campings, Badesee und vieles mehr. Hier schlagen wir unser Zelt auf und lassen uns gastronomisch verwöhnen. Gastronomisch Verwöhnenlassen ist eine unserer besonderen Stärken😉

Tag 8 – Vom Tankumsee ins Dachzeltdorf Meinersen-Höfen (36 km)

Zu früher Stunde machen wir uns am Tankumsee auf den Weg. Schön liegt er da, unsere Fotos werden ihm nicht gerecht: Zu dunkel und dunstig ist es noch.

Wir durchwandern die Gifhorner Heide. Ein schönes Stück Landschaft. Im Ort Winkel freut sich eine junge Familie sichtlich uns zu treffen. Sie folgen uns online, waren gestern besorgt, wo und wie wir das Gewitter überstehen. Uns berührt, dass Fremde so Anteil nehmen🥰

Mitten im Wald liegt eine angebissene Ananas auf dem Weg! Wanderhalluzinationen? Nein, sie ist wirklich da, wir können sie fotografieren😉

Im NABU Artenschutzzentrum in Leiferde nimmt sich Frau Rogoschik, die Geschäftsführerin, an einem Sonntag(!) stundenlang(!) Zeit, um uns ihre Einrichtung zu zeigen und unsere Fragen zu beantworten. Frau Rogoschik und ihr Team pflegen jährlich 4.000 Wildtiere. Zudem züchten sie bedrohte Tiere zur Auswilderung und kümmern sich um „Exoten“ aus nicht artgerechter Haltung. Wir nehmen viel Wissenswertes mit. Insbesondere lernen wir, dass längst nicht jedes hilflos wirkende Tier Hilfe benötigt. Einen Besuch können wir sehr empfehlen, du unterstützt mit einem geringen Eintrittsgeld diese wichtige Arbeit. Frau Rogoschik ist so nett und fährt meine Pilgerwagennomadin zum heutigen Tagesziel. Ein Fuß bereitet ihr Probleme.

Ich laufe die letzten 15 km alleine. Belohnt werde ich mit wunderschönen Waldpfaden, einer Seenlandschaft am Fluss Oker sowie den bezaubernden Orten Meinersen und Päse. Erschöpft erreiche ich unser Tagesziel, das Dachzeltdorf in Höfen. Davon berichte ich morgen🙂

Tag 9 – Von Meinersen-Höfen zurück nach Hause (35 km)

Wir sind fremd gegangen! Wir lieben unser Zelt und haben alternative Übernachtungsangebote bisher stets abgelehnt. Aber nun sind wir schwach geworden. In Versuchung geführt hat uns Hinnerk Bode-Kirchhoff mit seinem Dachzeltdorf in Meinersen-Höfen. Dachzelte werden üblicherweise auf Autos montiert. Hinnerk dagegen hat sie auf drei Meter hohe Holzgerüste gestellt. Sanft vom Wind geschaukelt, haben wir bestens geschlafen. Ein tolles Erlebnis zu einem günstigen Preis🙂

Im Dachzeltdorf treffen wir zwei junge Menschen, die es mit dem Nomadentum weiter treiben als wir: Einer lebt und arbeitet in einem Pkw mit Dachzelt, der andere in einem selbst ausgebauten VW-Bus. Und zwar ganzjährig!😮 Wir kannten solche „(digitalen) Nomaden“ bisher nur aus dem TV bzw. Youtube. Die Begegnung mit diesen ungewöhnlichen Menschen finden wir höchstspannend. Gerne würden wir uns länger unterhalten, aber dies verhindert unsere späte Ankunft und die frühe Abreise der anderen Nomaden. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben🙂

Wir wandern weiter in westlicher Richtung. Nach wenigen Kilometern verlassen wir schweren Herzens den Landkreis Gifhorn😔 Unser Urlaub neigt sich dem Ende entgegen, wir wandern nach Hause, nach Burgwedel – Wettmar. Eine weite Etappe. Es fühlt sich merkwürdig an, aus dem Urlaub nach Hause zu wandern. Noch im Urlaubsmodus, entdecken wir auch unser Heimatdorf neu, der Blick ist noch geschärft für die schönen Details. Gegen 20 Uhr kommen wir erschöpft, reinigungsbedürftig und hungrig, aber sehr glücklich an😊

Wir nehmen uns Zeit, um den Tagesbericht zu schreiben und zu bebildern. Ein „Fazit“ gelingt uns nicht mehr, dies holen wir morgen nach🙂

Der erste Tag danach: Ein Fazit

Wir blicken zurück auf 230 Wander-Kilometer in 9 Tagen🚶‍♀️🚶. Die Erlebnisse und Begegnungen lassen sich nicht zählen. Erinnerungsfetzen zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht. Wanderungen, Outdoorleben und die vielen Eindrücke fordern ihren Tribut, wir genießen die Erschöpfung. Wissend, dass sie bald einer tiefen Erholung und neuem Tatendrang weichen wird. Wir sind entspannt, sprechen wenig, jeder sortiert seine Eindrücke. Widmen uns der Körper- und Materialpflege, kleine Blessuren werden versorgt.

Wir haben in unserem Bett geschlafen, sind frisch geduscht. Tragen saubere Kleidung. Haben jederzeit Zugriff auf kühle Getränke und Speisen. Auf elektrischen Strom und fließendes Wasser. Scheinbare Selbstverständlichkeiten, deren Wert wir nach unseren Wanderungen erkennen. Wir sind dankbar, für die Freiheit, die Sicherheit und den Wohlstand, in dem wir im weltweiten Vergleich leben und der eine Tour, wie die unsere, erst ermöglicht. Wir sind dankbar für unsere körperliche Gesundheit, die uns das Wandern erlaubt.

Dankbar sind wir auch unseren Gastgebern, die uns durch Sehenswürdigkeiten führten oder Zeltplätze anboten. Den Menschen, die offene Gespräche mit uns suchten, uns einluden oder Hilfe anboten. Den Journalisten, die mit ihren Berichten dafür sorgten, dass wir oft erkannt wurden und uns wie „kleine Promis“ fühlen durften😉. Herrn Pache und seinem Team der Südheide Gifhorn Tourismus, die uns mit Rat und Tat allerbestens unterstützten und unsere Wanderung erst möglich machten‼️ Unseren „Fans“ auf Facebook/ Instagram: Vermutlich ahnt ihr nicht, wie viel uns eure „virtuelle Begleitung“, eure Likes und Kommentare bedeuten, wie sehr sie uns motivieren und berühren. Vielen Dank euch allen❣️

Unser Fazit: Die Wanderung durch den Landkreis Gifhorn hat unsere hohen Erwartungen übertroffen. Neben den vielen Sehenswürdigkeiten, von denen wir berichteten, begeisterte uns die Vielfalt und Schönheit der Landschaft. Die sehenswerten alten Gebäude. Und die offenen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Unterwegs entstand eine Liste mit Orten und Aktivitäten, die wir im Landkreis noch erleben möchten. Fest steht: Wir kommen wieder💯. Und gern empfehlen wir: Gönn dir ein paar Tage im Landkreis Gifhorn, die Region ist eine Reise mehr als wert🙂