Für die erste längere Wanderung des Jahres entschieden meine Frau und ich uns für das Wendland. Niedersachsens wildem und dünn besiedeltem Osten. Hier reizte uns der Wendlandrundweg, den wir durch Abstecher auf 250 km erweiterten. Vorab sei dir verraten: Wir bereuen diese Wahl nicht, das Wendland wird als Wandergebiet und Reiseziel unterschätzt! Hier erfährst du, was uns begeisterte und was wir unterwegs mit Pilgerwagen und Zelt erlebten.

Die Tour in Zahlen und Fakten

Tage: 10 | Personen: 2 | Distanz: 250 km | Höhenmeter: 1.720 m Anstieg, 1.720 m Abstieg | Pilgerwagen-Gewicht: 25 – 30 kg | Übernachtungen: Zelt

Der Weg

Der Wendlandrundweg ergibt sich aus der Kombination dreier Wanderwege: Er besteht aus dem Wendland-Querweg, einem Abschnitt des Elb-Höhenweges und dem Drawehn-Höhenweg. Jeder dieser Wege hat einen eigenen Charakter, was den Wendlandrundweg abwechslungsreich macht.

Wendland-Querweg

Nach Anreise mit der Bahn starteten wir im Örtchen Schnega. Von hier aus erreichten wir nach acht Wanderkilometern den Wendlandrundweg, genauer: Den knapp 70 km langen Wendland-Querweg. Diesem folgten wir in östlicher Richtung.

An den ersten Tagen beeindruckten uns die Rundlingsdörfer wie Püggen, Schreyahn und Satemin. Die oft großen Fachwerkhäuser sind in diesen, auch „Rundling“ genannten, Dörfern keilförmig um den Dorfplatz angelegt. Auf den Dorfplätzen stehen Tische und Bänke, hier genossen wir ausgiebig die besondere Atmosphäre. In Jabel, einem der Rundlinge, betreibt die Künstlerin Tine Wittler mit Wittlerins Wohnzimmer eine Deelenkneipe und Kulturbar. Wir verbrachten dort einen Abend mit guten Gesprächen. In Lübeln passierten wir das Rundlings-Museum und erstanden bei einer Anwohnerin einen frisch gebackenen Laib Brot. Lecker!

Im weiteren Verlauf führt der Wendland-Querweg durch charmante Dörfer, die Landschaft dazwischen besteht aus Feldern, Wäldern und Heide. Besonders gefielen uns die Nemitzer Heide sowie der Gartower Forst. Dieses 5.600 Hektar große Waldgebiet wird seit Jahrzehnten nachhaltig bewirtschaftet und beheimatet nicht nur ein Wildgehege, sondern auch ein Wolfsrudel. In Gartow stärkten wir uns bei einer Pause am See, genossen das Treiben auf dem Wasser und der See-Promenade.

Nach Gartow wird die Besiedelung noch einmal spürbar dünner, die Landschaft ändert sich erneut. Waren wir anfangs durch Felder von den feuchten Niederungen der Seege getrennt, so kamen wir diesen immer näher. Nebenbei passierten wir zwei Mal die ehemalige innerdeutsche Grenze, sahen mit Grenzpfählen, Wachtürmen und Bunkern Spuren der Vergangenheit. Die letzten Kilometer des Wendland-Querweges führten uns vorbei an den Seen und Feuchtgebieten der Aland-Elbe-Niederung. Hier hatten wir Glück und konnten einen Biber sichten, einen der ebenfalls dort lebenden Seeadler sahen wir leider nicht. Schließlich erreichten wir Schnackenburg, die kleinste Stadt Niedersachsens. Und damit die Elbe und das Ende des Wendland-Querweges.

Elb-Höhenweg

Weiter ging es über einen rund 65 km langen Abschnitt des Elb-Höhenweges. Auf diesem folgten wir der Elbe und durchschritten das Biosphärenreservat Elbtalaue: Natur pur. Seit Generationen von Menschenhand gestaltet, voller Leben. Die Elbe und ihre Altwässer. Feuchtwälder, Weiden und blühende Wiesen. Grüne Deiche, Schafe und niedliche Lämmer. Ab und an kleine Dörfer.

Nach einem Drittel des Weges überraschten uns die An- und Abstiege der Schwedenschanze. Diese führen über schmale Pfade, Stufen und enge Kurven. Zwischen Schwedenschanze und Vietze liegt eine Schutzhütte mit Blick auf die Elbe. Hier genossen wir einen fantastischen Sonnenaufgang. Ein Stück weiter verließen wir den Elb-Höhenweg und überquerten die Elbe über eine Brücke für einen lohnenswerten Abstecher nach Dömitz. Dort berichten mal mehr, mal weniger gut erhaltene Gebäude aus unterschiedlichen Epochen der Vergangenheit. Höhepunkt ist die Festung aus dem 16. Jahrhundert, in deren Graben wir zwei Rehkitze beobachten konnten.

Als nächstes erreichten wir Hitzacker. Hier passierten wir zunächst das bronzezeitliche Freilichtmuseum. Nahmen uns dann Zeit für einen Bummel durch die auf einer Flussinsel liegende Fachwerk-Altstadt. Weiter ging es entlang der Elbe, erneut verließen wir den Wendland-Rundweg. Diemal für einen Abstecher nach Neu Darchau, um die Elbe mit einer Fähre zu überqueren. Am anderen Ufer lockte nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein schmuckes Hof-Café. Kuchen und Fährüberfahrt waren den Abstecher wert.

Drawehn-Höhenweg

Die rund 60 km des Drawen-Höhenwegs vervollständigen den Wendlandrundweg. Bei Drethem verließen wir die Elbe, schnell wandelte sich die Landschaft, es wurde waldig. Sehr waldig. Denn mit dem Staatsforst Göhrde durchwanderten wir den mit 75 km² größten Mischwald Norddeutschlands. Uralte Baumriesen begeisterten uns.

Mitten in der Göhrde erreichten wir unser landschaftliches Highlight des Wendlandrundweges: Den Breeser Grund, einem „Hutewald“. Hutewälder entstanden, wenn das Vieh zur Futtersuche einfach in den Wald geschickt wurde („Waldweide“). In der Folge lichtete sich der Baumbestand, es entstand eine Heidelandschaft. Gespickt mit einzelnen, oft uralten Bäumen, einige umgestürzt am Boden liegend. An diesen Eindrücken konnten wir uns kaum sattsehen.

In Zernien erlebten wir den menschlichen Höhepunkt unserer Wanderung. Bei unserer Ankunft lud uns ein Anwohner auf einen Kaffee ein. Als sich danach ein Gewitter zusammenbraute, boten uns mehrere Anwohner ein Schutzdach, später sogar Übernachtungsplätze an. Wir erfahren unterwegs oft Hilfsbereitschaft, in dieser Dichte berührte uns das aber sehr. Vielen Dank, liebe Wendländer! Da sich das Wetter besserte, nahmen wir das Schutzdach, aber nicht die Übernachtungsangebote an.

Wir wanderten weiter über den „hohen Mechthin“. Die mit 142 Metern höchste Erhebung im Wendland kröhnt ein 30 Meter hoher Aussichtsturm. In Wittfeitzen erfrischten wir uns im Waldbad. Dieses war einst ein klassisches Schwimmbad, eine Sanierung überfällig, aber zu teuer. So entstand ein Förderverein, der das Bad in zahllosen ehrenamtlichen Stunden zu einem Naturbad umbaute. Wir spürten wie viel Herzblut in diesem Bad steckt und freuten uns über freundliche Gespräche, vegane(!) Burger und gezapftes(!) Bier. Erfrischt und gestärkt, fiel uns der verbleibende Weg zum Start- und Zielort Schnega leicht.

Übernachtungen

Am Wendlandrundweg gibt es unterschiedliche Unterkünfte: Hotels, Pensionen und Campings, vor allem Ferienwohnungen. Wir entschieden uns – wie üblich – für Übernachtungen im Zelt. Groß ist die Campingplatz-Dichte nicht, aber entlang der Elbe konnten wir von Camping zu Camping wandern. Auf den anderen Streckenabschnitten gibt es kaum Campingplätze, hier zelteten wir auf Privatgrund: Teilweise gegen einen kleinen Obulus und inklusive Dusche und Toilette. Unsere Lieblingsplätze:

  1. Hütten-Hotel Elbhöhe: Kein Campingplatz, sondern ein Gelände mit Miet-Hütten. Auf einer Zeltwiese ist Platz für einige Camper. Dort trafen wir nicht das typische Campingplatz-Publikum, sondern Rad-/ Wandertouristen. Der Platz überzeugt mit Elbnähe, urigen Sanitäreinrichtungen, Frühstücksbuffet, Restaurant und netten Betreibern. Wenn du es ungewöhnlich und sympathisch statt luxuriös und überfüllt magst, wirst du hier fündig.
  2. Wasserwanderzentrum Dömitz: Eine Mischung aus Bootshafen und Campingplatz. Es stehen dort überwiegend Wohnmobile und Wohnwagen, für Zelter gibt es eine Wiese. Dort trafen wir Radler, Paddler und Wanderer, konnten Reiseerfahrungen austauschen. Der Platz wird mit Liebe zum Detail betrieben, es gibt Zierpflanzen, Deko-Objekte, einen Bücherschrank und Brillenputztücher im Sanitärgebäude. Der Platz liegt direkt an der Elde, zur Elbe und zum Zentrum von Dömitz sind es wenige hundert Meter.

Tipp für Wildcamper: Weite Teile des Wendlandrundweges führen durch Naturschutzgebiete, informiere dich vorab über deren Lage! Es wird gezielt nach Wildcampern gesucht. Falls du erwischt wirst, wird der Urlaub teuer.

Eignung für die Wanderung mit Pilgerwagen

Auf dem Wendlandrundweg kannst du perfekt mit Pilgerwagen wandern: Wir überwanden kaum Höhenmeter, wenige Anstiege sorgen für Abwechslung, sind nur mäßig steil. Der Untergrund ist gut befestigt, vor allem entlang der Elbe geht es über Asphalt. In der Nemitzer Heide führt der Weg kurzzeitig durch tieferen Sand, an anderen Stellen mussten wir einige Stufen überwinden. Der einzig fordernde, aber machbare Abschnitt sind die An- und Abstiege an der Schwedenschanze. Auf dem Wendlandrundweg bist du gut aufgehoben, wenn du als Einsteiger erste Erfahrungen mit einem Wanderanhänger sammeln möchtest. Aber auch, wenn du als Pilgerwagen-Routinier unkompliziert und naturnah wandern magst.

Fazit

Erneut bewährte sich der Pilgerwagen, er erleichterte uns auf den gut zu gehenden Wegen den Gepäcktransport deutlich. Von den weiteren Vorteilen des Wanderanhängers wollen wir hervorheben, dass der Pilgerwagen unsere unterschiedlichen konditionellen Voraussetzungen gut ausgeglichen hat. Wir hatten keine Probleme mit Über-/ Unterforderung durch Wandergeschwindigkeit oder Distanz. Erneut erwies sich unser Anhänger als Kontaktbrücke zu anderen Menschen, wir wurden oft angesprochen.

Das Wendland und der Wendlandrundweg gefielen uns bestens. Die Menschen sind unaufdringlich, freundlich und hilfsbereit. Die Natur ist überraschend vielseitig, die Infrastruktur für eine Wanderung mehr als ausreichend. Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants und Cafés, wir konnten fast täglich Einkaufen. Auffällig ist die hohe Dichte von Kunstschaffenden und kleinen Kulturbetrieben. Wir kommen gerne wieder, nicht nur zum Wandern.